Wer hat Angst vor der bösen Flexileine?

Windhunde und Flexileinen – ist das zu vereinbaren? Eine schwierige Frage, die jeder Hundebesitzer für sich selber entscheiden muss.

Bei uns kam irgendwann auch die Frage auf, wie wir unserer Lola etwas mehr Schnüffelfreiraum verschaffen können. Bisher waren wir mit einer 2m-Leine unterwegs und irgendwie war das nichts für sie und auch nichts für uns. Ich würde Lola mal als „bedingt leinenführig“ beschreiben. Jeder Spaziergang war ein anstrengendes Unterfangen und trotz Geduld und diverser Tricks schien keine Besserung in Sicht. Selbst nach Anlegen eines Geschirrs war kein so richtig entspannter Spaziergang möglich. Sie wollte halt nicht spazieren gehen, sondern das Unterholz nach „Gehoppeltem“ untersuchen. Was liegt da näher, als sich eine Flexileine zuzulegen.  

Wir wurden vor den Flexileinen gewarnt, dass sie gefährlich sind.

Vor vielen Jahren hatte ich eine schmerzhafte Begegnung mit einer dieser Leinen. So etwas vergisst man nicht…

Ich war mittags mit unserem Afghanen „Tasso“ in den Feldern unterwegs. Irgendwann kam es, wie es kommen musste. Ein Kaninchen kreuzte unseren Weg. Tasso nahm diese Abwechslung dankbar zur Kenntnis und spurtete los. Ich war in diesem Moment etwas unaufmerksam und habe es zu spät bemerkt. Ich hätte die Flexi einfach fallen lassen sollen, stattdessen habe ich die Leine reflexartig mit beiden Händen festgehalten und mit ausgestreckten Armen darauf gewartet, dass die Leine ihr Ende findet. Im Nachhinein könnte ich mir dafür immer noch vor den Kopf hauen, alleine schon wegen des Hundes. Der Zeitpunkt kam jedenfalls recht schnell. Ich spürte, wie die Leine sich dehnte und statt eines heftigen Ruckes, wechselte der Zug gegen Null. Der Hund lief weiter und ehe ich verstand, was da geschah, verspürte ich einen heftigen Schmerz in den Händen. Die Leine war schlicht und ergreifend gerissen.
Die Flexileinen hatten zu dieser Zeit noch nicht die Qualität der heutigen Leinen. Um sie stabiler für größere Rassen zu machen, wurde die Nylonschnur mit feinen Drähten umspannt. Und jetzt stellt Euch mal zwei Leute vor, die ein 5m langes Gummiband spannen und einer lässt dann das Band los. Meine Hände und Unterarme waren voller roter Striemen. Die Schmerzen waren heftig, irgendwie vibrationsartig und es hat fast eine Woche gedauert, bis ich wieder etwas mit der linken Hand greifen konnte.
Dann gibt es noch eine nette Episode als ich mit meinem Hund einen Bach überqueren wollte. Um an den Bach zu kommen, musste man erst eine ca. 3m mehr oder weniger steile Böschung hinunter.
Tasso schnupperte sich die Böschung entlang, wegen der vielen Kaninchenbauten und wurde immer schneller; ich hinterher. Plötzlich und unerwartet sprang Tasso über den 2m breiten Bach. Ich blieb diesseits des Baches stehen und rastete die Leine ein, damit er auf der anderen Seite stehen bleibt. Nun wollte ich in Ruhe überlegen, wie ich unser „Trennungsproblem“ am  besten lösen kann. Tasso wollte stattdessen die Böschung auf der anderen Seite hinauf rennen.
Natürlich nahm er keinerlei Rücksicht auf den Zweibeiner auf der anderen Bachseite. Ich hatte allerdings auch keine Zeit für Überlegungen jeglicher Art und landete mitten im Bach. Der war eigentlich nur knietief, aber durch die Geschwindigkeit des Hundes wurde ich umgerissen und landete vollständig im kühlen Nass. Tasso schaute von oben mittleidig auf mich herab. Er hasste Wasser wie nichts anderes auf der Welt und so nahm ich seinen Ausdruck als ernsthafte Entschuldigung an. 

Aufgrund dieser Erfahrung habe ich dann lieber zwei Schleppleinen (5 und 10m) besorgt.
Puh, das war auch eine anstrengende Erfahrung. Lola war eben eine sehr aktive Galga. Sie hat es geliebt im Unterholz oder in Kaninchenbauten am Rhein zu schnüffeln. Deshalb war es keine einfache Aufgabe die Leine zu führen, abzurollen und wieder einzuholen. Dazu kommt, dass Leine und Hände sehr schnell mit allem möglichen Dreck und Matsch überzogen waren. Ungefährlich ist das auch nicht, wenn der Hund anzieht und die Leine in der Hand läuft, „verbrennt“ man sich schnell die Handflächen. Ich habe es dann mit Handschuhen probiert, aber auch das war keine befriedigende Lösung.

Also bin ich wieder bei der Flexileine gelandet, habe in Foren recherchiert, mit Freunden gemailt und mit Flexileinen-Gassigehern gesprochen.

Meine anfängliche Skepsis war verflogen. Ich wollte es unbedingt ausprobieren. Im Internet habe ich ein günstiges Exemplar (bis 50kg) bestellt. Wir haben sie auch gleich ausprobiert und waren positiv überrascht. Lola genoss die ungewöhnliche Erweiterung ihres Schnüffelradius, natürlich alles mit Geschirr. Für einen Spaziergang mit Halsband war uns die Sache noch nicht ganz geheuer. Dazu sprinten diese Hunde einfach zu schnell und wir wollten auf jeden Fall vermeiden, dass sich unser Hund verletzt.

Eines Tages waren wir mit Lola im Stadtwald spazieren und wurden von einem heftigen Regenschauer überrascht. Zuerst haben wir uns unter einem Baum untergestellt, aber der Regen war so stark, dass ich mich entschlossen habe, alleine das Auto zu holen. Meine Frau sollte mit Lola unter dem Baum verharren, während ich mich im Zweibeinergalopp in Richtung Auto aufmachte.
Das Auto in Sichtweite tauchte neben mir plötzlich eine gestromte Galga auf. Sie schaute mich irgendwie glücklich an, als wollte sie sagen, dass sie froh ist, mich trotz des Regens noch eingeholt zu haben. Ich hatte erst einmal Panik, weil Lola ohne Leine neben mir lief, aber sie blieb ganz dicht geduckt bei mir und zum Auto waren es eh nur noch ein paar Meter
Wir haben uns dann pitschepatsche-nass ins Auto fallen lassen und Lisa abgeholt. Sie wartete schon mit Spannung, weil sie ja nicht wusste, was in der Zwischenzeit passiert war.
Lisa hatte keine Chance. Lola hat ihren Zweibeinerpapa davonlaufen sehen, sofort ihre Hinterläufe unter die Vorderpfoten geklemmt und die Verfolgung aufgenommen, frei nach dem Motto: „ So schnell wirst du mich nicht los!“
Lisa hatte noch versucht schnell die Leine einrasten zu lassen, wie ich es ihr eingebleut hatte, aber das Ding hat sich einfach in seine Einzelteile zerlegt, also nicht einfach nur gerissen.
Ich habe noch versucht, die Teile auf der Wiese einzusammeln, aber das war wegen des starken Regens nicht möglich.
Zu Hause angekommen habe ich direkt Kontakt mit dem Tierbedarf aufgenommen und meine Garantieansprüche geltend gemacht. Lola wog schließlich gerade mal 27kg. Ich habe den Vorfall geschildert und bekam ein sehr unfreundliches Mail zurück. Die 50kg beziehen sich nicht auf das Gewicht des Hundes, sondern auf die Zugkraft die das Tier entwickelt. Da blieb mir doch glatt die Spucke weg. Wie soll denn Jemand die Zugkraft seines Hundes berechnen? Welche Faktoren sollte ich da mit einbeziehen? Hier für Euch eine kleine Hilfe, falls Ihr mal ähnliche Probleme haben solltet.
Vor dem Spazierengang müsst Ihr das Gewicht Eures Hundes ermitteln. Wenn der Hund jetzt losspurtet, müsst Ihr rasch mit der Radarpistole, die Ihr Euch irgendwo her besorgt habt oder sowieso mit Euch herum tragt, die Geschwindigkeit messen. Vielleicht seid Ihr auch gut beim Schätzen. Dann die Werte merken oder aufschreiben. Den Reibungsfaktor je nach Untergrund kann man vielleicht noch aus einer Tabelle auslesen, Gravitation und Luftdruck wird in unserem Fall vernachlässigt, aber die Steigung sollte man doch berücksichtigen. Formelsammlung nach der passenden Formel durchsuchen, Werte einsetzen und falls das Ergebnis die angegebene Kraft überschreitet, Leine fallen lassen.
Das zum Thema „Internet-Schnäppchen“… Den Shop gibt es übrigens nicht mehr. Warum? Darüber kann sich jetzt jeder seine eigenen Gedanken machen.

Ich habe mir dann (Vorsicht Schleichwerbung) eine 50kg - 8m-Leine der Firma “flexi“ gekauft. Diese Leinen sind äußerst robust und die kg-Angabe bezieht sich lediglich auf das Gewicht des Hundes. Außerdem gibt es die Flexis auch als reflektierende Version, damit man die dünnen Schnüre im Dunkeln besser erkennen kann. Ein besonders interessantes Feature für ignorante Fahrradfahrer.
Allein dieser Umstand macht den Spaziergang etwas entspannter. Diese ganze hin- und her-Rechnerei war mir auf Dauer doch etwas lästig. ;)
Mit diesen neuen Leinen sind wir durch dick und dünn gegangen. Ich habe sie des Öfteren fallen lassen müssen, auch schon mal heftiger, sie sind nass geworden, auch von innen. Und sie funktionieren immer noch. Okay, eine Leine mussten wir gegen eine Neue austauschen, aber nach 3 Jahren täglicher Benutzung ist das okay.

Aber Vorsicht: Der Umgang mit diesen Dingern erfordert einiges an Geschick und noch mehr Übung. Darüber hinaus muss man trotzdem höllisch auf der Hut sein, sprich wesentlich aufmerksamer, als mit einer 2m-Leine.
Gerade wenn andere Zwei- oder Vierbeiner mit im Spiel sind. Die dünne Schnur kann sich im Spiel schnell verheddern und dann bei den Hunden irgendwelche Körperteile abschnüren oder verletzen. Nie mit den Händen in die abrollende Leine fassen und man sollte sehr vorsichtig sein, wenn man z.B. im Sommer mit nackten Beinen mit dieser Flexileine in Berührung kommt. Gerade Kniekehlen üben eine magnetische Anziehungskraft auf diese Leinen aus. Ich kann ein Lied davon singen.
Oder Jogger, die sich von hinten "anschleichen" und nicht einsehen wollen, dass man nicht einfach auf den Knopf "Einholen" drücken kann und der Hund dann slapstick-artig zu einem zurück geschnellt kommt. Von den eben erwähnten "ignoranten Fahrradfahrern" ganz zu schweigen. Mit einem Hund ist das kein großes Problem, aber mit Zweien, manchmal schnüffelt einer rechts und einer links, kann es schon einmal hektisch werden. Fahrradfahrer klingeln ja grundsätzlich nicht, weil man als Hundebesitzer auch Augen am Hinterkopf hat, machen sie sich auch keine Gedanken darüber, ihre Geschwindigkeit zu verringern. Da hilft nur noch, Leinen auf den Boden und anschließend die Fahrradfahrer-Voodoopuppe aktivieren. Grrrr..... Die Fahrradfahrer bekommen übrigens auch noch eine eigene Geschichte, in ca. 2 Wochen. Eine meiner Lieblingsgeschichten, nur so am Rande.

Okay, wer immer noch nicht abgeschreckt ist, sollte seine ersten Erfahrungen mit der Flexileine auf jeden Fall mit einem Geschirr machen. Zumindest wenn man einen Windhund an diese Leine hängt. Wenn diese Hunde plötzlich los laufen und man durch Einrasten der Stopptaste der Beschleunigung ein Ende bereitet, werden erhebliche Kräfte frei. Bei einem Halsband wirken diese extremen Kräfte direkt auf den Hals! Vergesst das nie!

Bei „normalen“ Spaziergängen sind diese Leinen sehr komfortabel. Ich möchte sie nicht mehr missen und kann mir gar nicht vorstellen, wie man mit einer 2m-Leine am Rheinufer eine Kaninchenbau-Inspektion überstehen soll.
Obwohl in der „Flexileinen-Lernphase“ solch ein Erlebnis zur echten Herausforderung wird.

Wir sind im Frühsommer nach Uerdingen an den Rhein gefahren, um dort spazieren zu gehen. Gerade hatten wir Lola aus dem Auto gelassen, da tickte sie förmlich aus. Lola war in ihrem „vorherigen Leben“ eine erfahrende Jägerin und ihre Instinkte haben sofort Alarm geschlagen. Ich hatte meine Mühe, Hund und Flexi-Leine in Einklang zu bringen, der  absolute Kaninchen-Terror. Hunderte (!) weiße, hüppelnde Karnickelstümmelchen wohin man auch schaute und Lola wusste gar nicht wohin sie zuerst sollte.
Wenn man die Flexileine noch nicht so richtig beherrscht, ist das Ganze schon eine anstrengende Angelegenheit. Man lässt den Hund etwas laufen, aber nicht zu viel, bestätigt den Leinenstopp, gibt wieder nach, usw.
Man fühlt sich ein wenig wie beim Angeln, nur mit einem 27kg Fisch, der ordentlich Power hat.
Wenn ich dort öfters spazieren gegangen wäre, hätte ich in kürzester Zeit Bizeps, wie Arnold Schwarzenegger vor seiner politischen Karriere gehabt.
Am besten übt man erst einmal in ruhigeren Gefilden. Lola machte nach diesem Spaziergang einen sehr unzufriedenen Eindruck. Erst war sie begeistert von dem Radius, aber immer wieder dieser unfähige Zweibeiner am anderen Ende der Leine, der mit viel Ungeschick jeglichen Jagderfolg versaute, indem er im falschen Augenblick die Leine gestoppt hat. Ihren „irren“ Blick werde ich nicht vergessen.

Ich denke mal, dass an diesem Abend das Mordkomplott für den nächsten Rheinspaziergang geschmiedet wurde.

Mir klingt die Stimme Golums, bzw. Lolas noch in den Ohren: „Morgen Nacht... habt Ihr ausgelacht. Durch diese Leine mögt Ihr siegen, aber eines werd ich kriegen…!“

Zu Eurer Beruhigung möchte ich erwähnen, dass sich auch bei den nächsten Besuchen kein Jagdglück eingestellt hat. ;)

In der Zwischenzeit bin ich zum "wahren Flexileinenexperten" mutiert. Mit zwei Hunden an der Flexileine, davon eine wilde Biene. So etwas schafft man wirklich nur, wenn man lange und ausgiebig übt!
Auch wenn dann noch zwei andere Hunde dazu kommen, verliere ich auch nicht so schnell den Überblick. Gut, wenn es zu hektisch wird, dann mache ich Apollo kurz los, weil ich ja nur meine Hunde führen kann. Ansonsten wäre mir das auch zu gefährlich. Man kann diese Leinen natürlich auch kurz einrasten. Dann kann man diese Leinen ähnlich wie eine „normale“ Leine handhaben.

Also, wenn Ihr mit einer Flexileine liebäugelt, kauft direkt eine Leine, die etwas mehr kostet und Euch dafür nicht im Stich lässt. Und lasst Euch nicht entmutigen, wenn es nach zwei Tagen noch nicht so recht funktioniert. Aller Anfang ist schwer!

Für die Zweibeiner unter Euch, die ihre Hunde mit zwei Halsbändern sichern, ist vom erwähnten Hersteller ein kurzer Riemen beigelegt, mit dem man beide Halsbänder verbinden kann.

Wer sich das alles nicht zutraut, lässt bitte direkt die Finger von diesen Dingern, denn man kann einfach zu viel Schaden mit diesen „Flexis“ anrichten. 

Windhunde-Anfänger sollten grundsätzlich Abstand von diesen Leinen nehmen! Erst einmal solltet Ihr überhaupt mit einem Windhund an der Leine klar kommen und ihn sicher führen zu können.
Dazu empfehle ich den Artikel: "Doppelsicherung eines Galgos oder Greyhounds", den Ihr auf der Homepage von Greyhound-Protection unter "Infos" findet.